Bewegung

Larissas Vermächtnis – die Geschichte zu SeelenSport®

Larissas Vermächtnis - die Geschichte zu SeelenSport. Abgebildetes Buch


In meiner Trauer habe ich zu einem ganz besonderen Bewegungskonzept gefunden: SeelenSport®. Bis heute prägt es meinen Alltag und hilft mir auch in der aktuellen Corona-Krise. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass SeelenSport® gegründet wurde? Dahinter steckt eine furchtbare und gleichzeitig hoffnungsvolle Geschichte. Katrin Biber, die Gründerin von SeelenSport® hat ihre Geschichte jetzt in ihrem Buch „Larissas Vermächtnis“ veröffentlicht. In diesem Artikel erzähle ich Dir mehr davon.

Als ich zum ersten Mal Kontakt zu Katrin Biber aufnahm, war ich an einem der tiefsten Punkte meiner Trauer. Der Tod meines Papas war einige Zeit her, ich musste so langsam wieder in meinen Arbeitsalltag finden, für mich stand die Welt aber nach wie vor still. Ich fand mich nicht zurecht, war unglaublich dünnhäutig, konnte kaum etwas essen und hatte das Gefühl ich kippe um, wenn mich nur einer anpustet. Ich war über einen Podcast auf sie aufmerksam geworden und ihre Geschichte hatte mich schon beim Zuhören gefesselt und erschreckt zugleich. Katrins Schwester Larissa wurde im Jahr 2013 ermordet.

Katrin erzählte im Podcast davon, wie sie langsam zurück ins Leben fand. Und schon damals dachte ich mir „krass – wie kann man sowas bitte überleben?“. Ihr Konzept machte mich neugierig, also schrieb ich ihr, nachdem ich ihre Arbeit mehrere Wochen in den sozialen Medien verfolgt hatte, an. Und obwohl wir viele hunderte Kilometer auseinanderwohnten, fanden wir einen Weg für eine Zusammenarbeit: ein Onlinetraining.

Sofort flossen Tränen – und das war okay!


Ich weiß noch, wie oft ich schon direkt zu Beginn der Stunde in Tränen ausbrach. Ein „wie geht es Dir?“ von Katrin reichte schon. Ich war dankbar, dass sie das fragte. Denn in meinem Umfeld wurde diese Frage langsam seltener. Viele dachten, langsam müsse ich jetzt mal zurück ins Leben finden. So dachte Katrin nicht. Denn sie kannte dieses Gefühl sehr gut. Jetzt, nachdem ich ihr Buch „Larissas Vermächtnis“ gelesen habe, wird mir klar, WIE gut sie dieses Gefühl kannte. Im Buch beschreibt sie, wie sie viele Monate immer wieder mit der Trauer konfrontiert war, immer wieder Rückschläge erlebte, sich immer wieder fremd fühlte in der „normalen“ Welt. In unserer gemeinsamen Arbeit spürte ich ihre Empathie und ihr Verständnis für meine Situation in jeder Minute. Und war unglaublich dankbar dafür.

Einblicke in eine sonst oft verborgene Welt


„Larissas Vermächtnis“ handelt von der Zeit zwischen Larissas Verschwinden und der Gerichtsverhandlung. Katrin erzählt eindrucksvoll und berührend, wie sie und ihre Familie mit der Situation umgegangen sind. Ehrlich gesagt, für mich war es schier unvorstellbar, wie man durch eine solche Zeit kommt. Und ich bin sehr dankbar und finde wichtig, dass Katrin uns an diesen Erlebnissen teilhaben lässt. Denn nur so kann sich das Verständnis für Betroffene von Gewaltverbrechen in dieser Gesellschaft verbessern und verändern. Wie oft kümmern wir uns um die Täter? Das Netz ist voll von Netflix-Dokumentationen, Podcasts und Serien über die Psyche von Verbrechern. Über die Opfer erfahre ich dort kaum etwas. Vielleicht auch verständlich, wenn ich die Zeilen in Katrins Buch lese. Denn es gehört unglaublich viel Mut dazu, zu erzählen, wie man sich in solch einer schlimmen Situation fühlt. Ich habe mit Katrin über ihr Buch und ihre Motivation, es zu schreiben, gesprochen.


Woher hast Du all den Mut genommen, Deine Geschichte zu erzählen? Gab es Momente, in denen Dich der Mut verlassen hat, Du in Frage gestellt hast, so offen damit umzugehen?


Der Gedanke an mein eigenes Ich aus dem ersten Trauerjahr ist einer meiner Antriebe, der mir Mut schenkt. Damals spürte ich keine Hoffnung auf ein glückliches Leben nach einem Mord. Ich möchte nicht, dass das noch jemandem so passiert, das machte mich mutig meine Geschichte zu veröffentlichen. Ja auch mich verlässt der Mut manchmal. Besonders wenn ich verletzende Nachrichten bekomme, wie etwa, dass ich meine Schwester nie geliebt hätte, sie nur ausnützen würde und aus ihrem Schicksal nun Geld machen will, dass ich doch lieber im Stillen trauern soll, nicht lachen darf, wenn ich dieses Buch nun in den Händen halte. Obwohl ich mich mittlerweile gut abgrenzen kann davon, treffen sie mich dennoch, vor allem im ersten Moment und rauben mir schlagartig meinen ganzen Mut, lassen mich an mir selbst zweifeln. Aber dann rapple ich mich wieder auf, lese die positiven Stimmen durch, trainiere eine Runde und hol mir meinen Mut zurück. Jetzt erst recht, denk ich mir dann oft.



Die Arbeit mit trauernden Menschen ist zwar sehr erfüllend (so erlebe ich das zumindest) aber ganz sicher auch herausfordernd. Die Balance zu finden, zwischen zuhören, einfach da sein, nicht in Fettnäpfchen treten und Hoffnung schenken ist eine große Aufgabe. Ich erinnere mich noch, wie oft Katrin mich mit ihrem herzlichen Lachen angesteckt hat. Ich konnte gar nicht anders, als mit ihr zu lachen, auch mal albern zu sein in unseren Trainings. Und das mitten in den dunkelsten Stunden meines Lebens. Bevor ich sie kennenlernte, sah ich mir ihre Fotos an und war beeindruckt von ihrer offenen und oft auch positiven Art – ohne, dass sie es damit übertrieben hätte. Auch dazu habe ich Katrin eine Frage gestellt.

In Deinem Buch beschreibst Du die Verzweiflung der ersten Wochen und Monate nach Larissas Tod. Hoffnungslosigkeit, Ängste und schlimme Träume haben Deinen Alltag bestimmt. Woher hast Du die Kraft genommen, auch wieder lachen zu können? Hat sich das für Dich auch mal komisch angefühlt?


Die größte Kraft kam ganz sicher aus der Liebe zu meinen Schwestern. Ich bin die älteste, ich wusste ich war eine Art Vorbild und wollte ihnen Hoffnung geben, dass wir das gemeinsam durchstehen können. Ich hatte so große Angst sie auch noch verlieren zu können, dass mir das auch viel Kraft gegeben hatte, immer weiterzumachen. Ja alles hat sich eigentlich immer wieder komisch angefühlt. Auch das Lachen, plötzlich ohne Larissa, war ein seltsames Gefühl, das auch mit schlechtem Gewissen verbunden war zu Beginn. Heute fühlt es sich nicht mehr komisch an für mich selbst, aber da ich sehr in der Öffentlichkeit stehe, muss ich manchmal denken: Hm, was denken da jetzt wohl die Leute, wenn ich lache. Schnell aber reflektiere ich mich und stupse diesen gesellschaftlichen Kritiker weg, denn wer darf denn bitte über ein Lachen urteilen, das sich so hart erkämpft werden musst? Niemand!



In Katrins Buch erfährt man nicht nur viel zu ihrer Geschichte, sondern kann auch viel lernen zum Umgang mit trauernden Menschen. Offen und ehrlich erzählt sie, was ihr gut getan hat, was sie verletzt hat. Im Zweifel sollte man einfach zuhören, da sein (mit) aushalten. Und Katrins Alltag ist es ja mittlerweile, mit trauernden Menschen zu arbeiten.

Wie gehst Du damit um, all die Geschichten von anderen trauernden Menschen zu hören? Ist das nicht eine große Last für Dich? Wo findest Du einen Ausgleich und ein Stück weit Abstand?


Nein es ist keine Last für mich, vielmehr fühle ich mich dadurch mehr in Verbindung mit den Menschen und auch mit mir selbst. Wenn man selbst keine Angst hat vor den eigenen Gefühlen, dann belastet sowas auch nicht. Es ist vielmehr nämlich die große Furcht vor der eigenen Traurigkeit und den anderen schweren Gefühlen. Diese Angst habe ich aber nicht mehr. Alles was mich an den Geschichten der Trauernden berührt, lasse ich anschließend raus, schaue hin, warum mich das eine vielleicht mehr beschäftigt, als das andere. Ich drücke diese Gefühle über meinen SeelenSport® aus, der mir dann den Abstand dazu wieder gibt und wo ich all die Geschichten dann sein lassen kann.



Katrins Buch war für mich etwas ganz Besonderes: Nicht nur, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen konnte, weil es so toll geschrieben ist. Es gibt auch Einblicke in eine Welt, die uns oft verborgen bleibt. Denn Katrin trauert im besten Sinne laut. Sie versteckt sich und ihre Gefühle nicht. Sie ermutigt andere Menschen, ihre Gefühle so anzunehmen, wie sie gerade kommen. Sie nicht zu verdrängen sondern sich ihnen liebevoll zuzuwenden. Auch, wenn das gerade in der Trauer für mich mit die härteste Aufgabe war. Ich bin ehrlich: Vor manch einem Training hatte ich ein wirklich mulmiges Gefühl. Denn ich wusste, jetzt geht es um meine Trauer. Und das tut oft einfach verdammt weh. Aber wer den Mut aufbringen kann, sich den Gefühlen zu stellen, sie da sein zu lassen, der kann nach und nach auch ein kleines bisschen Erleichterung spüren.

Nimm Dir „Larissas Vermächtnis“ unbedingt zur Hand, wenn Du lesen willst, wie man aus der Trauer Zuversicht schöpfen kann. Wie es gelingen kann, mit einem Verlust umzugehen.

Danke Dir, liebe Katrin, für Deinen Mut, dieses Buch zu schreiben. Und danke, dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast 😊

„Larissas Vermächtnis“ ist im Piper Verlag erschienen. Du kannst es online, am besten über eine Buchhandlung in Deiner Nähe bestellen. Gerade in der aktuellen Situation sollten wir kleine Buchhändler*innen unterstützen. In den Buchläden ist das Buch mittlerweile auch zu finden.

Mehr zu SeelenSport erfährst Du unter www.seelensport.at

Katrins Autorenseite findest Du unter www.katrin-biber.com, dort findest Du auch alle Termine für Lesungen

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