Trauer

Es war doch nur ein Tier?! – über die Trauer um einen geliebten Begleiter

Vielleicht hast Du diesen Satz „ach komm, es war doch nur ein Tier!“ auch schon einmal gehört? Dabei wissen alle, die bereits einen treuen Begleiter verloren haben: Die Trauer um ein geliebtes Tier kann Menschen komplett aus der Bahn werfen. Alles verändert sich. Der Verlust eines Vierbeiners ist oft ein tiefgreifender Einschnitt ins Leben. Und doch habe ich das Gefühl, die Trauer um ein Tier ist ein noch größeres Tabu als die Trauer um einen Menschen. Darüber gesprochen habe ich mit Vanessa Reif, die ein Tierhospiz leitet.



Vor kurzem hatte meine kleine Hündin Jeannie Geburtstag. Neun Jahre ist sie jetzt an meiner Seite. Sie ist mein Sonnenschein, meine Seelentrösterin, mein Clown in traurigen Momenten. Sie ist mein Ruhepol, meine Taktgeberin, mein Herzenshund. Zu Beginn haben wir noch voller Freude ihre Geburtstage gefeiert – jetzt mischt sich mehr und mehr die Wehmut unter die Freude. Denn es wird immer klarer: unsere gemeinsame Zeit ist begrenzt.

Ich setze mich viel auseinander mit dem Thema Trauer, aber die Trauer um ein solch geliebtes Tier wie meine Jeannie, die kann ich nicht greifen. Ich habe sie schlicht noch nicht erlebt. Ich kann nicht mitreden. Keine Ahnung, wie sich diese Trauer anfühlen wird. Vermutlich sehr schlimm. Ich bin ehrlich: Ich hab Angst, dass ich das gar nicht aushalten kann.

Und obwohl ich selbst keine Erfahrung damit habe, fühle ich mit anderen Menschen, die ein Tier verloren haben. Meine beste Freundin, die schon drei ihrer Kater über die Regenbogenbrücke gehen lassen musste. Mein Bruder und meine Schwägerin, die ihren Kater nach einer kurzen schweren Krankheit viel zu früh verloren haben. Eine Bekannte, deren Hund gestorben ist und die mir nur hinter vorgehaltener Hand sagte, dass sie um ihn mehr trauert als um so manchen Menschen. Meine Erfahrung und mein Gefühl sagen mir, dass die Trauer um ein Tier ein noch größeres Tabu ist als die Trauer um einen Menschen.

Es geht um so viel mehr als „nur um ein Tier“

Und dabei verlieren wir doch mit dem Tod eines Tieres so viel: Den gemeinsamen Alltag, die Verantwortung, die wir tragen. Die Spaziergänge. Die Kontakte zu anderen Tierhalter*innen. Kuscheleinheiten, Zuneigung, wundervolle, lustige, unbeschwerte Momente. Stirbt ein Mensch, ist es selbstverständlich, dass wir eine Trauerkarte schreiben. Würdest Du das auch tun, wenn ein Tier stirbt? „Gelernt“ ist das in unserer Gesellschaft jedenfalls nicht.

Wie kann man umgehen mit der Trauer um ein geliebtes Tier? Darüber habe ich mit Vanessa Reif gesprochen. Sie hat das Tierhospiz Villa Anima e.V. gegründet und begleitet nicht nur Tiere im Sterbeprozess, sondern arbeitet auch mit trauernden Tierhalter*innen.

Liebe Vanessa, danke, dass Du Dir Zeit für meine Fragen nimmst.


Wie offen sollten Tierhalter*innen aus Deiner Sicht mit ihrer Trauer umgehen? Und was kann man tun, wenn man auf Ablehnung oder den berühmten Satz „es war doch nur ein Tier“ stößt?

Die Trauer um ein Tier ist in unserer Gesellschaft nicht sonderlich anerkannt – noch nicht! Das liegt aus meiner Sicht vor allem daran, dass Menschen ohne Tier sich nicht vorstellen können, wie tief eine Bindung zwischen Menschen und Tier sein kann. Das wissen wir Tierhalter umso mehr. Je tiefer und inniger die Beziehung zu unseren Fellschätzen ist, desto größer ist auch der Schmerz eines Abschiedes. Es geht genau um diese Beziehung, um die wir trauern, wenn ein geliebtes Familienmitglied stirbt – es spielt keine Rolle, ob es sich um einen Menschen, einen Hund, einen Hamster oder einen Goldfisch handelt. Die Trauer in allen ihren Facetten ist die gleiche.


Emotionen werden oft unterdrückt


Leider führt ein Unverständnis im Umfeld gegenüber dem Trauernden dazu, dass dieser nicht mehr nach Außen trauert, sich verschließt und seine Emotionen unterdrückt. Dies kann weitreichende Folgen haben, seelische und körperliche Gesundheit können stark beeinträchtigt werden und das Leben fühlt sich schwer und eingeschränkt an. Mein Rat ist hier, sich auf jeden Fall in einem geschützten Rahmen mit Gleichgesinnten auszutauschen. Das Gefühl, nicht alleine zu sein, ist bereits der erste Anker in einem Strudel aus negativen Emotionen und aus der Hilflosigkeit. Zu wissen, man wird verstanden und darf einfach authentisch sein, ist aus meiner Erfahrung bereits ein großer Trost. Wenn man im engsten Familienkreis auf Abwehr stößt, kann das sehr bitter sein. Für viele Angehörige ist es nach einer kurzen Trauerphase auch mal gut und sie kehren zurück zum Alltag, das Leben muss ja weiter gehen. Dennoch braucht es für viele Menschen in Trauer um ihr Tier oft einen längeren Zeitraum, bis sie sich wieder leichter fühlen.

Kommunikation ist wichtig


Trauer ist individuell und persönlich, jeder sollte seinen eigenen Weg gehen dürfen. Hier empfehle ich, klare Grenzen zu stecken: Akzeptieren, dass der Gegenüber nicht mehr trauert, im Gegenzug Akzeptanz für die eigenen Trauer einfordern. Klar kommunizieren, was man braucht, wo man sich unverstanden fühlt. Das nimmt dem Gegenüber auch die Hilflosigkeit, wenn er weiß, wie er eventuell helfen kann. Zudem können Dinge wie Tagebuch schreiben, im Wald spazieren gehen oder bewusst Sport treiben zum Beispiel auch einen Raum für eine individuelle Trauer sein, ohne im Außen anzuecken.

Mehr zu diesem Thema kannst Du auch in Vanessas Wolkenfrei-Podcast hören. Wenn Du Trost und Austausch mit Gleichgesinnten suchst, kannst Du Unterstützung in der Wolkenfrei-Facebook-Gruppe finden.

Kann man sich auf die Trauer um ein geliebtes Tier irgendwie „vorbereiten“? Die Zeit mit unseren Begleitern ist nun leider immer sehr begrenzt, was würdest Du hier raten, um die Trauer besser angehen zu können?

Das machen die Wenigsten. Das Thema ist einfach zu unangenehm und es kommt ganz schnell Angst auf. Sei es Verlustangst oder die Angst vor dem Thema generell, eine Ur-Angst vor dem eigenen Sterben schwingt oft mit. Daher wird der Gedanke an einen Abschied ganz weit weg geschoben – verständlicherweise. In der Regel wird man mit der Endlichkeit konfrontiert, wenn beim Tierarzt eine Diagnose gestellt wird und im Bewusstsein ankommt, unsere gemeinsame Zeit läuft ab. Wenn wir uns auf einen Abschied vorbereiten, weil er unweigerlich immer näher rückt, sind wir bereits mitten in der Trauer. Auch hier hat sich ein Austausch unter Gleichgesinnten als absolut hilfreich bewährt – jetzt ist vor allem eine mentale Unterstützung wichtig.


Die letzte Lebensphase intensiv erleben


Jeder Abschied trägt auch immer eine Chance auf Weiterentwicklung mit sich. In der letzten Lebensphase können wir mit unserem geliebten Tier nochmal eine sehr innige Zeit erleben, auf seine Bedürfnisse eingehen, Liebe und Verbundenheit genießen. Nicht selten erleben Tierhalter, die sich intensiv um ihre alten oder kranken Tiere kümmern, eine sehr intime Zeit und ich versuche immer zu vermitteln, dies als wunderbares Geschenk zu betrachten.
Gerne möchte ich aber noch auf plötzliche Abschiede eingehen. Da gibt es keine Möglichkeit, sich vorzubereiten, bewusst Zeit zu verbringen oder sich auch bewusst zu verabschieden. Bei einem plötzlichen Tod des Tieres, z.B. durch einen Unfall, steht man plötzlich vor einem Abgrund. Menschen, die ein gutes soziales Netzwerk haben, die gut reflektieren können, die generell Schicksalsschläge oder Niederlagen gut verarbeiten, sind hier klar im Vorteil.

Raum für die Trauer


Die beste Vorbereitung auf einen Tod ist aus meiner Sicht, dem Thema immer wieder einen Raum zu geben. Sich mit anderen darüber zu unterhalten, sich Fragen zu stellen – z.B. wie möchte ich mal bestattet werden? Was wäre, wenn unser Fellschatz irgendwann nicht mehr da ist – wie würde es sich anfühlen? Was passiert nach dem Tod? Ich bin überzeugt, wenn wir annehmen können, dass ein Sterben wie ein Geboren werden zum Leben gehört, kann vieles leichter werden.

Wie gehst Du selbst mit der Trauer um Deine eigenen Tiere um?



Ich musste schon durch einige tiefe Täler der Trauer gehen – mein erster schwerer Verlust war mein Kater Micky, der überfahren wurde. Lange habe ich gebraucht, um damit meinen Frieden zu finden – drei Jahre war ich wie gelähmt. Zehn Jahre später habe ich eine Bedeutung für Mickys Tod gefunden – er hat mich dazu gebracht, ein Tierhospiz ins Leben zu rufen. Das wurde mir allerdings erst sehr viel später bewusst. Ich war damals sehr hilflos und alleine mit meinen Emotionen um Mickys Tod. Mit den Abschieden meiner Schützlinge im Tierhospiz komme ich hingegen sehr gut zurecht.


Dem Lebenskreislauf fügen


Die Villa Anima ist aus dem Wunsch heraus entstanden, dass alte oder schwerkranke Tiere nicht im Tierheim sterben müssen. Das ist bis heute mein Antrieb und ich richte meinen Fokus darauf, die Bedürfnisse meiner Schützlinge zu erfüllen. Ich habe sehr schnell meine Perspektive gewechselt und meine Vereinstiere „dürfen“ Sterben. Ich kämpfe nicht, ich füge mich dem Lebenskreislauf. Natürlich habe ich auch eine emotionale Distanz zu den Vereinstieren, da sie in der Regel nur ein paar Monate bei mir sind. Das macht es mir leichter, sie in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten und zu verabschieden.

Mimis Vermächtnis


In den letzten Jahren habe ich auch drei meiner eigenen Tiere verloren, was mich jedes Mal voller Wucht traf. Jeder Abschied hat mich sehr viel gelehrt, worüber ich sehr dankbar bin. Dennoch trage ich den Schmerz des Verlustes wie jeder Tierhalter. Es gibt nicht den einen Trick, um alles wegzuzaubern. Ich bin dennoch davon überzeugt, dass wir unsere Trauer positiv beeinflussen können. Das hat mich meine 2019 verstorbene Hündin Mimi gelehrt. Meine Weiterbildung zur Trauerbegleiterin, meine vielen unterstützenden kostenlosen Angebote für trauernde Tierhalter, mein intensiv transformierender Wolkenfrei-Onlinekurs, das ist alles Mimis Vermächtnis. Ich habe meinen persönlichen Weg gefunden, meinen Trauerschmerz zu Liebe und Verbundenheit umzuwandeln. Ich freue mich sehr, dass ich mittlerweile schon vielen anderen Tierhaltern in Trauer helfen konnte, ihren eigenen persönlichen Weg zu finden.

Danke liebe Vanessa, dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast. Ich für mich persönlich bin dankbar, zu wissen, dass ich durch die schmerzhafte Zeit der Trauer nicht alleine durch muss. Dass es Unterstützung und Angebote gibt – auch für Tierhalter*innen. Ich hoffe, ehrlich gesagt, dass ich nicht so schnell darauf zurückkommen muss. Trotzdem trägt mich das Gefühl, dann nicht allein zu sein.

Falls Du betroffen bist, scheue Dich nicht, Dir Unterstützung zu holen. Auch Du musst da nicht alleine durch.

Hier noch einmal einige Links für Dich:

Vanessas Website
Wolkenfrei-Onlinekurs
Die Wolkenfrei-Facebook-Gruppe
Vanessas Facebook-Seite

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