Trauer

Drei Jahre Trauer

Foto: Silke Hufnagel


Ich erinnere mich noch genau an den Tag, der meine Zeitrechnung zum Stillstand brachte. An den Anruf von Mama. Papa ist tot. Wir mussten damit rechnen und trotzdem riss es mir den Boden unter den Füßen weg. Drei Jahre ist das nun her. Drei Jahre Trauer. Wie es sich heute für mich anfühlt, mit dem Verlust zu leben, erzähle ich Dir in diesem Artikel.


Draußen fallen die Blätter, alles ist zum letzten Mal in diesem Jahr richtig bunt, an schönen Tagen leuchten die Farben unfassbar schön. Eigentlich ist der Oktober ein schöner Monat. Für mich wird er aber immer verbunden sein mit Papas Tod. Fünf Tage nach seinem letzten Geburtstag im Jahr 2017 ist er gestorben. Manchmal kann ich es heute noch nicht begreifen.

Sein Platz bleibt leer


Wie kann ein Mensch einfach weg sein? Ich habe heute noch Situationen in denen ich denke, er kommt gleich zur Tür rein. In denen ich schmerzlich spüre, dass er fehlt. Dass sein Platz leer ist und leer bleibt, so unbegreiflich das auch sein mag. Vieles hat sich für mich verändert in den letzten drei Jahren. Zum ersten Mal habe ich wirklich gespürt, was Trauer ist. Vorher habe ich auch Menschen verloren, aber da habe ich nur verdrängt, das weiß ich jetzt. Ich hatte Angst, zu trauern. Denn trauern tut erstmal verdammt weh. Aber jetzt gabs kein Verdrängen mehr. Die Trauer kam und blieb. Ließ sich nicht wegsperren, ausblenden, sondern forderte immer wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Ich habe gelernt, hinzusehen und die Trauer auszuhalten. Das war alles andere als einfach, aber für mich die einzige Möglichkeit. Ich habe mich verändert. Vielleicht kennst Du auch die Frage, die sich viele Trauernde stellen. Wer bin ich – ohne Dich? Das herauszufinden war und ist ein tiefgreifender Prozess für mich. Damit bin ich auch noch lange nicht fertig.


Der Trauer die Tür öffnen


Die Trauer hat sich verändert, mit den Jahren. Sie reißt mich nicht mehr zu Boden. Ich bin mit und an ihr gewachsen und stolz auf meinen Weg. Aber sie ist nicht weg und wird es nie sein. Da kann ich noch so stark wirken wollen. Wenn sie an die Tür klopft, möchte sie auch heute noch, dass ich öffne, sie hereinlasse und ihr einen Platz neben mir anbiete. Und dann ist es trotzdem schmerzhaft. Oft erlebe ich aber auch Momente voller Freude und Unbeschwertheit. Ich kann ausgelassen lachen, ohne mich schlecht zu fühlen, ich kann das Leben genießen und habe gelernt, mit diesem Verlust zu leben.

Eine besondere Anfrage


Als sich zu Papas Geburtstag ein Kamerateam ankündigte, das mich für die Sendung „engel fragt“ zum Thema Trauer interviewen wollte, war ich total happy. An diesem Tag. An seinem Geburtstag. Wie symbolisch dafür, wie sich Trauer verändert. Wie sehr ICH mich auch verändert und weiterentwickelt habe. Ich bin definitiv ein anderer Mensch als vor drei Jahren. Ich bin SeelenSport®-Trainerin. Ich werde Trauerbegleiterin. Ich bin aus dem Schmerz heraus über mich hinausgewachsen. „Das möchte ich der Welt erzählen“, dachte ich mir. Und freute mich auf den Tag. War voller Zuversicht, dass alles glatt läuft und ich davon erzählen kann, wie es mir heute geht.

Und dann kam der Tag. Und ich wachte auf mit einem riesigen Kloß im Hals. Mein Bauch rumpelte, ich hatte Schmerzen, mir war übel. So sehr hatte ich mir vorgenommen, heute stark zu sein und dann ging es mir so schlecht. Da war sie wieder, die Trauer, in ihrem bekannten Gewand. Sie erinnerte mich daran, dass heute ein besonderer Tag ist, an dem auch die Traurigkeit ihren Platz haben darf. Ich durfte begreifen: Ich muss auch drei Jahre nach Papas Tod nicht die Starke sein, nur weil ein Kamerateam kommt. Im Nachhinein denke ich, es war naiv, zu denken, ich würde an diesem Tag vielleicht gar nicht traurig sein. Ich war es. Und zwar richtig. Papas Tod war mir so nah, als wäre es gestern gewesen.

Traurigkeit darf sein


Ich erinnerte mich an seinen letzten Geburtstag vor drei Jahren, einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Und na klar ist es vollkommen NORMAL, dass ich auch heute noch traurig bin an diesem Tag. Dass sich Tränen ihren Weg suchen und ich Papa vermisse, ihn bei mir haben will. Und auch, wenn das kein schöner Vormittag war: Ich habe ihn mit der traurigen Seite der Trauer verbracht. Ihr die Aufmerksamkeit geschenkt, die in diesem Moment brauchte.

Und auch, wenn das vielleicht komisch klingt, danach ging es mir besser. Das mulmige Gefühl war nicht vollkommen weg, aber meine Vorfreude auf den Fernsehdreh kam zurück. Und ich konnte ein bisschen Freude spüren und zulassen. So habe ich auch gelacht an diesem Tag, habe voller Leidenschaft SeelenSport® präsentiert und von meiner Geschichte erzählt.

Beides gehört in der Trauer zusammen und darf sein: Die Traurigkeit und die Freude. Im Zweifel ganz kurz nacheinander, miteinander, übereinander.

Ich konnte die Dreharbeiten genießen, meine Botschaft in die Welt hinausgeben, die mir so wichtig ist: Trauer darf sein! Trauer muss nicht versteckt werden, sie ist wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Wir dürfen auch viele Jahre nach einem Verlust noch traurig sein, wenn wir einen geliebten Menschen, mit dem wir im Zweifel den Großteil unseres Lebens verbracht haben, verlieren. Das hab ich an diesem Tag auch selbst nochmal ganz intensiv gespürt.

Nun bin ich ganz gespannt auf das Ergebnis der Fernsehsendung. Falls Du auch mal reinschauen willst, hier findest Du mehr Infos dazu.

4 Comments

  • Ursula

    Jetzt, wo Du so erzählst davon, merke ich, dass diese Momente am Telefon für mich immer noch präsent sind wie heute. Ich war bei keinem Tod meiner Familienmitglieder dabei, sondern habe immer diesen schlimmen Anruf erhalten. Die Stimme meiner Mutter, als mein Bruder gestorben ist, ihre Stimme, als mein Vater gestorben ist, die Stimme meiner Schwester, als meine Mutter gestorben ist und die Stimme meiner Nichte, als meine Schwester gestorben ist: ich habe sie alle noch im Ohr, ich weiß von allen Anrufen noch genau die Worte, die gesagt wurden, ich habe es meist an der merkwürdig veränderten Stimme schon geahnt, und jedesmal ist das der Moment, wo der Boden unter den Füssen wegsackt. Der Moment, der mich in eine andere Welt gestoßen hat.
    Wie gut, dass ich alles mit Dir bearbeiten kann.
    Ich wünsche Dir heute einen guten Trauertag oder wie soll ich sagen?
    Alles Liebe

    • Sabine

      Was für berührende Worte liebe Ursula. Solche Momente, die sich für immer in unserer Erinnerung einbrennen, die wir nie vergessen werden, weil sie unser Leben prägen und verändern. Genau das ist es und das beschreibst Du sehr eindrücklich. Danke für Deine Wünsche, ein guter Trauertrag – das klingt gut. Auch für Dich alles Liebe

  • S.

    Ich habe meinen Papa vor etwas über einen Monat verloren. Es tut so weh.
    Ich mache mir Vorwürfe, ich hab ihm nicht gesagt dass ich ihn lieb hab. Warum hab ich ihn nicht nochmal angerufen oder geschrieben, als es hieß, dass er verlegt wird?!

    Würde er vielleicht noch leben, wenn ich ihm da gesagt hätte wie viel er mir bedeutet?! Hätte er dann die Kraft gehabt zu kämpfen und er wäre nicht am Herzstillstand gestorben?!

    Ich mache mir solche Vorwürfe

    • A.

      Diese Schuldgefühle sind leider völlig normal, jeder, der schon mal getrauert hat, kennt sie, auch ich. Mit der Zeit klärt sich oft der Blick und diese Gefühle lassen nach oder verschwinden ganz. Ich hoffe, es geht Ihnen besser inzwischen <3

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