Trauer

Weinen in der Trauer: so wichtig und doch so schwer

Tränen Weinen Trauer

Tränen gehören untrennbar zur Trauer. Ganz selbstverständlich – möchte man meinen. Und trotzdem ist es ein großes Thema. Denn für mich war es oft alles andere als leicht, die Tränen einfach kommen zu lassen. Das hat mit gesellschaftlichen Normen zu tun, aber auch mit Ängsten. Wie ich damit umgegangen bin, und warum weinen in der Trauer auch für mich wichtig und trotzdem schwer war, erzähle ich Dir in diesem Blogartikel.

Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Besuch in einer Trauergruppe. Ich saß da in der Runde, voller Anspannung und Unsicherheit und dachte mir „jetzt bloß nicht weinen“. Eigentlich paradox, oder? Und doch war es so. Dabei saßen dort ja Menschen, mit denen ich doch irgendwie verbunden war, allein schon, weil wir alle jemanden verloren hatten. Und da war eine Trauerbegleiterin, deren Aufgabe es doch ist, mit Trauernden umzugehen. Und trotzdem hatte ich ein großes Problem damit, meine Tränen zu zeigen.

Für mich war das Weinen damals ein Zeichen dafür, meine Trauer anzuerkennen. Sie auch für andere sichtbar zu machen. Sichtbar zu machen, dass ich verletzt, traurig, hoffnungslos und schwach war. Und das wollte ich nicht. Ich wollte stark sein, dachte mir „ach komm, bei Dir ist das doch bestimmt nicht so schlimm, jetzt stell Dich mal nicht so an.“ Schwäche zu zeigen bedeutete für mich damals Scham. Erst im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass Weinen das Gegenteil von Schwäche zeigen ist. Dass es wichtig ist, auch nach außen zu zeigen, dass man um einen geliebten Mensch trauert. Dass Tränen heilsam und wichtig sind. Aber es war ein langer Weg bis dorthin.

Der Kloß in meinem Hals saß fest


Mir ging es oft so, dass ich den Kloß im Hals deutlich spürte. Gerade zu Beginn meiner Trauer. Ich spürte ihn und wollte ihn nicht lösen. Es tat richtig weh in meinem Hals und es war, als würde mir die Kehle zugeschnürt. Meine Angst war, wenn ich jetzt anfange zu weinen, dann höre ich nicht mehr auf. Dann brechen alle Dämme. Dann zieht mich die Trauer tief hinab in die Dunkelheit und sperrt mich dort ein. Ohne Ausweg. Ich hatte Angst, mich zu verlieren, ausgeliefert zu sein. Und ja, manchmal bewahrheitete sich dieses Gefühl: Ich konnte kaum mehr aufhören. Die Weinkrämpfe gingen durch meine Knochen, meine Muskeln, alles zog sich zusammen, mir blieb fast die Luft weg. Es tat körperlich weh. Diese Weinkrämpfe dauerten manchmal eine halbe Stunde und länger. Ich will hier nichts beschönigen – diese Momente waren gerade zu Beginn meiner Trauer auch für mich unglaublich schmerzhaft.

Ich musste lernen: ich kann die Trauer nicht verdrängen


Doch mit der Zeit hat sich das verändert. Die Weinkrämpfe blieben schlimm, schmerzhaft und anstrengend. Aber meine Einstellung dazu hat sich geändert. Weil ich gelernt habe, die Tränen als Teil der Trauer zu akzeptieren. Sie nicht mehr als Schwäche anzusehen. Ehrlich gesagt hatte ich oft auch gar keine Wahl: Ich hatte Phasen, da fragte man mich nur, wie es mir geht und ich brach schon in Tränen aus. Die Trauer suchte sich ihren Raum. Und nach und nach lernte ich zu akzeptieren, dass sie eben da ist. Dass ich sie nicht verdrängen kann.

Ich habe gelernt: Tränen können sehr heilsam sein. Denn wenn ich einmal durch war durch diese Dunkelheit, dieses Ausgeliefertsein, war ich danach unglaublich erschöpft, aber ich hatte das Gefühl, einen winzig kleinen Schritt vorangekommen zu sein. Tränen bauen Druck ab, der sich aufstaut. Sie können ein wichtiges Ventil sein, um sich der Trauer bewusst zu werden, sie anzuerkennen und zu akzeptieren.

Weinen gilt immer noch oft als Schwäche


Allzu oft werden auch Menschen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt, wenn sie Schwäche zeigen und weinen. Es ist, wie als wäre das Weinen die höchste Eskalationsstufe – wenn Tränen fließen, ist es richtig schlimm. Dann hat da jemand wirklich die Kontrolle über sich verloren. Wie oft habe ich den Satz gehört „oh je, nicht weinen“, wenn ich in der Öffentlichkeit meine Tränen nicht zurückhalten konnte. Mittlerweile bin ich so gestärkt, dass ich meinem Gegenüber dann antworten kann „doch, ich möchte jetzt weinen, kannst Du mich einfach lassen?“. Warum sollen wir denn „nicht weinen“, vor allem, wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben?? Oft, weil unser Gegenüber das schwer aushalten kann. Das ist auch okay, aber dann ist es die Aufgabe unseres Gegenübers, einen Umgang damit zu finden. Nicht wir als Trauernde müssen uns zurücknehmen oder zusammenreißen.

Ein Gefühl von Leere


Vielen Trauernden geht es so, dass sie sich wünschen, weinen zu können. Aber es geht nicht. Diese Phase hatte ich auch. Und die war, trotz all der Stärke, die ich mir für mich selbst wünschte, auch nicht wirklich angenehm. Denn zurückblickend fühlte ich mich da einfach leer. Überhaupt nicht in Verbindung mit mir selbst und meiner Trauer. Der Druck, den ich ständig in mir spürte, konnte sich nicht abbauen. Und dann kam da auch der Gedanke „trauere ich nicht richtig, weil ich nicht weinen kann?“. Du siehst: Dieses Thema ist unglaublich ambivalent. Ich habe die Tränen einerseits verflucht, sie verdrängt, sie runtergeschluckt, andererseits sehnte ich sie mir herbei. Ein komplettes Gefühlschaos.

Gehe Deinen Weg


In der Trauer gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Ich habe für mich gelernt, dass es mir besser ging, wenn ich die Tränen zugelassen habe, wenn sie kamen. Wenn ich die Trauerwellen nicht bekämpft, sondern auf ihnen gesurft bin. Wenn ich den Schmerz habe kommen und aufwallen lassen.

Für Dich kann das ganz anders sein. Ich möchte Dich aber dazu ermutigen, genau DEINEN Weg der Trauer zu gehen. Lass die Tränen zu, wenn sie kommen wollen. Und setze Dich nicht unter Druck, wenn Du nicht weinen kannst. Oder wenn die Tränen nach vielen anstrengenden Weinkrämpfen einfach versiegt sind. Du erschöpft bist und nicht mehr kannst. Oder wenn Du nicht weinen möchtest. Alles ist okay. wenn Du auf Dein Inneres hörst und danach handelst. Niemand kann Dir vorschreiben, wie Du zu trauern hast. Tränen sind übrigens auch viele Jahre nach dem Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres noch okay, ganz egal, was andere sagen. Tränen sind kein Zeichen davon, dass Du die Trauer nicht „überwunden“ hast. Denn ich bin überzeugt, wir „überwinden“ Trauer nicht, sondern wir lernen, mit ihr zu leben. Und dazu gehören auch Tränen.

3 Comments

  • Katja

    Die Furcht, weinen zu müssen und es nicht zu dürfen, zu wollen, ist immer auch die Angst vor der Reaktion der Umgebung, der Gesellschaft.
    Wäre Weinen wirklich akzeptiert als Ausdruck von Trauer, wäre dieser Kampf, die Trauer unterdrücken zu müssen, nicht mehr so oft nötig.
    Der Ausdruck von Gefühl ist aber in unserer westlichen Welt situativ beschränkt : Weinen auf der Beerdigung (wehe, wenn nicht!), Spaß beim Karneval, Liebe am Valentinstag…
    Ansonsten, heule bloß nicht so los, tanze nicht auf der Straße und lache nicht auf dem Friedhof… Das sind gesellschaftliche Spielregeln, keine Gefühle.
    Lasst uns versuchen, mal wieder Gefühle zu leben,aus dem Moment heraus,nicht wenn die anderen sie erwarten 💕🦋

  • Doris

    Lange habe ich überlegt, ob ich hier was schreiben soll. Vielleicht hilft es mir. Ich habe meinen Mann verloren, plätzlich. Und wir waren ein gutes Paar,
    Krisen standen wir curch und schweissten uns nnoch fester zusammen. Und deshalb habe ich solche Momente, wo ich einfahc nur weinen muss und fast
    nicht aufhören kann. Mir tut der Verlust so weih, ich bin es nicht gewohnt, alleine zu leben und muss es jetzt tun – ohne Hilfe, weil er nicht mehr da ist
    als Unterstützung. Ich habe Angst, es nicht zu schaffen, Der Schmerz sitzt sehr tief, ich habe eine Sehnsucht, eine Wehmut und kann das nicht einordnen.
    Dann sitze ich da und die Tränen laufen. Es heißt dann, ich müsse mich ablenken. Aber wie? Und womit? Und wenn die Tränen kommen, wie kann ich
    den Tränenfluss aufhalten? Geht einfach nicht. Lange dachte ich, dass ich zu schwach sei. Und dann hieß es noch, ich würde zu geführlsbetron trauern.
    Mit welchem Recht wird das eingeordnet? Ich hoffe für mich, dass ich irgendwann so weit bin, nicht mehr so viel weinen zu müssen und mich nur an
    die schönen Dinge zu erinnern. Aber ob das irgendwann klappen wird?

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