Trauer

Mein Weg zur Trauerbegleiterin


Warum tust Du das?“ – oft wird mir die Frage gestellt, wenn ich erzähle, dass ich mich zur Trauerbegleiterin fortbilden lasse und schon jetzt mit trauernden Menschen arbeite. Ich habe mir die Frage auch schon selbst gestellt, nicht nur einmal. Was mich zur Entscheidung geführt hat, selbst Trauerbegleiterin zu werden und wie so eine Fortbildung aussehen kann, erzähle ich Dir in diesem Artikel.


Papas Tod hat sehr viel für mich verändert. Meine Werte, meinen Sinn im Leben, mein ganzes Tun. Bevor er starb, habe ich mich nicht viel mit dem Tod beschäftigt. Ich habe die Endlichkeit des Lebens verdrängt. Als es dann passierte, traf es mich wie einen Schlag. Das mag ein bisschen naiv klingen, aber viele verdrängen die Tatsache, dass der Tod jeden Tag kommen kann. Vorhersehbar oder unvorhersehbar. Ich hatte dann gar keine andere Wahl, als mich mit der Trauer bewusst auseinanderzusetzen. Heute weiß ich, wie wichtig Trauer ist. Dass sie Wertschätzung und Aufmerksamkeit verdient hat.

Tränen aushalten lernen


Ich dachte immer, ich könne Trauer einfach nicht aushalten. Meine eigene nicht, und die von anderen schon gar nicht. Das war auch lange so. Besonders in der ersten Phase meiner Trauer dachte ich, der Schmerz zerreißt mich. Ich war mit der Trauer überfordert, so lange, wie ich versuchte, sie zu verdrängen. Das hat unglaublich viel Kraft gekostet. Das „es muss jetzt weitergehen“, kurz nach der Beerdigung. Das „warum bin ich verdammt nochmal immer so traurig?“, einige Wochen nach seinem Tod. Das beklemmende Gefühl, wenn mein Gegenüber nach einem Verlust weint und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.

In meiner eigenen Trauer habe ich so viele Menschen getroffen, die auch nach einem Verlust sehr traurig waren. Ich habe sie weinen sehen, in Trauergruppen, in SeelenSport ® -Erholungswochen, natürlich auch in meiner Familie. Nach und nach habe ich gelernt, dass die Tränen nichts Schlimmes sind. Sie gehören dazu. Sie reinigen, sie bauen Druck ab. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich habe vor allem gelernt, anderen Menschen ihre Tränen nicht abzusprechen. Ich halte sie mit ihnen aus. Meine eigenen Tränen lasse ich mir übrigens auch nicht mehr absprechen.

Ich wachse in die Aufgabe hinein


Nach und nach habe ich mich dem Thema angenähert. Und auch, wenn ich es mir nicht von Anfang an zugetraut habe, habe ich doch gespürt, dass diese Aufgabe zu mir passt. Ich habe mich langsam rangetastet – und bin noch dabei. Ich darf Erfahrungen sammeln. Das ist unglaublich wichtig, denn nur so kann ich zur Trauerbegleiterin reifen. Dafür reicht eine theoretische Fortbildung nicht, dafür braucht es echte Begegnung, den Austausch mit Menschen. Und natürlich Erfahrung mit dem Thema Trauer – die habe ich selbst ausführlich gemacht und lerne jeden Tag Neues dazu.

In meinen SeelenSport® -Kursen treffe ich schon jetzt auf trauernde Menschen. Ich begleite sie mit Hilfe von Bewegung, wir lassen Wut und Tränen freien Lauf, aber auch der Freude – die genauso zur Trauer dazugehört. Ich darf schon jetzt beim Hospizverein Auxilium in Wiesbaden ehrenamtliche Trauerarbeit machen und begleite dort Trauerspaziergänge. Die Gespräche, die ich dort führen darf, erfüllen mich sehr. Selten höre ich Geschichten so voller tiefer Liebe wie in der Trauerarbeit. Die wirklich tiefe Liebe geht im Alltag oft unter. Und zeigt sich (leider) oft erst dann, wenn ein Mensch gestorben ist.

Das überträgt sich auch auf mein Leben. Ich lebe viel bewusster, ich halte viel mehr inne, ich umgebe mich mit Menschen, die mir WIRKLICH wichtig sind. Weil die Zeit mit ihnen eben begrenzt und besonders wertvoll ist. Ich bin dankbar, von so vielen schönen Liebesgeschichten hören zu dürfen. Natürlich ist damit auch sehr viel Schmerz verbunden. Das gehört dazu. Aber ich sehe eben auch, wie sich Trauer verändert. Wie etwas Neues, auch etwas Schönes aus ihr entstehen kann. 

Warum tust Du das?“


Das ist also die Frage, die mir andere stellen und die sich mir selbst stellt. Die Antwort ist (unter anderem): Ich möchte in dem, was mir passiert ist, einen Sinn erkennen. Das tue ich durch diese Arbeit. Ich hätte vor Papas Tod niemals für möglich gehalten, dass ich selbst dazu fähig bin, Trauerbegleiterin zu sein. Um mich neben meiner praktischen Arbeit auch auf „zertifizierte Füße“ zu stellen, mache ich jetzt eine Fortbildung zur Trauerbegleiterin beim RBM Institut in München. Die Fortbildung findet übrigens angeschlossen an ein großes Bestattungsinstitut statt. Das ist für mich besonders wichtig, denn ich will auch noch mehr über den bewussten Abschied und die Bestattungskultur lernen. Ich selbst habe ein ambivalentes Verhältnis zu Bestattungen und möchte mich auch diesem Thema gerne stellen. Denn ein würdevoller Abschied ist der Beginn eines gesunden Trauerprozesses.

Gleichzeitig darf ich die wunderbare Petra Sutor als Assistentin begleiten. Ab Frühjahr 2022 bietet sie erstmals im Rhein-Main-Gebiet die „Große Basisqualifikation Trauerbegleitung“ an. Ein Rundum-Sorglos-Paket mit tollen Inhalten, einem schönen Seminarhaus und voller Verpflegung. Ich bin so gespannt, was ich bei ihr lernen darf. Petra Sutor ist erfahrene Trauerbegleiterin und Coach, sie befasst sich besonders mit der Trauer am Arbeitsplatz und mit der Trauer um Sternenkinder und schreibt darüber Bücher. Sie hat sich außerdem zur Trauma-Beraterin weiterbilden lassen und wird auch das in ihre Fortbildung einfließen lassen.

Die Fortbildungen, die in Deutschland angeboten werden, sind sehr vielfältig und ich freue mich darauf, gleich zwei unterschiedliche Qualifizierungen mitmachen zu können. Einmal für mich selbst, einmal als Assistentin.

Mal sehen, wohin mich dieser Weg führt. Ich habe mir vorgenommen, auch hier im Blog über meine persönlichen Erfahrungen auf diesem Weg zu erzählen. 

2 Comments

  • Nicole

    Liebe Sabine,
    vielen Dank für Deine offenen Schilderungen über Deinen Weg. Ich lese sehr gerne auf Deinem Blog und finde mich in einigem wieder. Gerade was das Thema trauern betrifft und wie die Realität von jeglicher Vorstellung abweicht. Mein Weg verlief anders. Das Thema Tod war in meinem Leben von Kindesbeinen an präsent. Meine Oma lebte in einem Haus, das Blick auf den Friedhof hatte. Für mich, als Kind, so unglaublich faszinierend. Rasch stellte ich fest, dass diese Faszination kaum Jemand mit mir teilte. Umso mehr befasste ich mich damit. Auch später im Erwachsenenleben. Daher dachte ich, ich sei auf große Verluste vorbereitet. Denn Tod… kann ich. Mein Vater verstarb 2015. Wir hatten die letzten fünf Jahre keinerlei Kontakt und ich hatte – natürlich – längst mit ihm abgeschlossen. Was kümmerte es mich, dass er starb. Trauern war also völlig unnötig. Nur die Trauer selber wusste davon nichts und stand ca. 1,5 Jahre später einfach vor meiner Tür. Anders der Tod meiner Mutter. Mit 87 Jahren starb sie. Ein gutes Alter, wie ich fand. Und ich konnte sie bis zum Schluss begleiten, habe sie gewaschen und später nochmal im Sarg gesehen. Eine wunderschöne Trauerfeier folgte, eine bei der wir ihr Leben und die Liebe zu ihr feierten. Trauer… abgehakt. Ein Jahr später brach ich zusammen und es war ein langer, mühevoller aber auch bereichernder Weg, meine Einzelteile wieder zusammen zu setzen.
    Danach lag mein Weg klar vor mir: eine Fortbildung zur Trauer- und Sterbebegleiterin. Seit zwei Jahren bin ich nun tätig und gerade dabei, mich als Trauer- und Wegbegleiterin selbstständig zu machen. Einer meiner Schwerpunkte werden Menschen sein, die gar nicht trauern wollen. Da sie mit dem Menschen doch schon vor seinem Tod abgeschlossen haben.
    So, ein langer Kommentar von mir. 🙂 Ich freue mch, weiter von Deinem Weg zu lesen und wünsche Dir von Herzen alles Gute!
    Nicole

    • Sabine

      Liebe Nicole, danke für Deinen Kommentar, Deine Worte und Dein Teilen. Teilen Deiner Gedanken, Deines Weges, Deiner Erfahrungen. Das finde ich sehr wertvoll und in Vielem sprichst Du mir aus dem Herzen. Es tut mir leid, dass Du diesen Zusammenbruch erlebt hast. Aber ich finde toll, wie Du die Chance genutzt hast, daraus etwas Neues wachsen zu lassen und Deine Erfahrungen jetzt weiterzugeben. So paradox es klingt, manchmal müssen wir erst zusammenbrechen, ganz unten liegen, damit wir uns langsam wieder auf den Weg machen können. Ich wünsche Dir auch alles Gute für Deinen Weg – ich finde, Trauerbegleiter:innen mit genau Deinem Schwerpunkt braucht es unbedingt. Alles Liebe für Dich.

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